Jürgen Engler zu
Dan Davis über die einzelnen Tracks der CD "Machinists of Joy"
in einem Interview vom 16. Oktober 2013:
1 Ein Blick zurück im Zorn
"Für mich ist das
ein perfekter Opener. Es gibt immer irgendwelche Dinge, auf die man
Zorn hat, aber es ist nicht mehr als ein Blick. Unsere Ausrichtung ist
immer nach vorne. Wir schauen nicht wirklich zurück, obwohl dieses
Album, das ist im Prinzip ganz interessant, das verknüpft eben viele
Punkte von der Vergangenheit mit der Gegenwart und mit unserer Zukunft.
Weil man merkt eben in vielen Stücken, dass es eine Verwandtschaft
miteinander hat. Mit Songs, die in der Vergangenheit gemacht wurden. Wie
„To the Hilt“ oder „Fatherland“ oder „Machineries of Joy“, durch den
Rhythmus oder auch das Cover. Es gibt hier Verbindungspunkte zur
Vergangenheit. Aber wir sind keine richtungsgerichtete Band, wir schauen
immer nach vorne. Diese Metal-Phase so gegen 95, 96, 97 – da wurden die
Songs bei uns wirklich auf der Gitarre geschrieben und mit der
Electronic nochmals forciert. Jetzt ist es im Prinzip so, wie ich es
eigentlich immer haben wollte. Das elektronische Fundament ist da und
wir addieren dann die Gitarre, die aber keine übergeordnete vorrangige
Rolle mehr spielt. Die sind zwar da, aber sie sind nicht tragendes
Element.
"
2 Schmutzfabrik
"Das ist im Prinzip ein klassischer Krupps-Track. Das musst Du im Prinzip so sehen wie „Wahre Arbeit wahrer Lohn
Nr. 2“. Das ist im Prinzip ein Song für die Leute, hat auch eine Verwandtschaft zu „Machineries of Joy“. Klassisches Krupps-Terrain."
3 Risikofaktor
"Das war die Single. Der Track selbst wurde ja kurz bevor der „Maya-Kalender“ sich
(im
Dezember 2012 nach offizieller Lesart, Anm. d. Verf.) geschlossen
hatte. Er war irgendwo darauf gemünzt. Auf der anderen Seite auch wieder
nicht, weil es ein aktuelles Thema generell ist. Es ist jetzt nicht nur
darauf zu beziehen. Sondern auch eine
generelle Geschichte. Das ist zum Beispiel auch so ein
Verknüpfungspunkt mit der Vergangenheit gewesen. Ich hatte damals mit
meiner Punk-Band einen Track, der hieß
„Risikofaktor 1:X“. Wir haben hier irgendwo diesen Kreis geschlossen.
Das wir die ganze Sache auf den Punkt gekriegt, die Verbindungen
irgendwie hergestellt haben, aber trotzdem schön nach vorne gerichtet."
4 Robo Sapien
"Robo Sapien ist für mich musikalisch wie „Fatherland“, in der Richtung. Auf der anderen Seite geht es darin ganz klar um Mensch und Maschine und die Entmenschlichung. Was wird uns aktuell passieren? Wir sind alle nicht mehr von unseren
I-Phones und I-Pads wegzudenken. Mittlerweise ist das schon fast
erschreckend. Es gibt ja kaum noch jemanden, der ohne leben kann. Das
ist wirklich krass. Aber auf der anderen Seite ist es natürlich gut, es
ist eben eine andere Zeit. Ich finde das ja gut. Für mich ist das
alles sowieso viel zu langsam gegangen. Ich hatte damals noch mit meiner
Band einen Track der hieß „Technoland“, 1979, wo ich schon darüber
gesungen habe. Die Zeit ist stehen geblieben. Es ist nicht genug
passiert. Nicht
schnell genug passiert. 69: Mondlandung – und danach irgendwie ein
riesen Loch. Aber wie gesagt – jetzt sind wir hoffentlich wieder auf dem
Weg, dass sich alles wieder etwas schneller bewegt. Ich finde das toll.
Mit Blick zurück im Zorn – aber nach vorn`…"
5 The Machinists of Joy
"Den Song habe ich im gleichen Zeitraum geschrieben, als ich mich entschlossen
hatte, wie das Album eigentlich heißen sollte. Ich hatte eigentlich den Album-Titel
und
habe dazu den Song gemacht. Für mich ist das ein schöner Song, der
alles perfekt abgerundet und auf den Punkt gebracht hat. „Machinists of
Joy“ ist für mich so was wie die Essenz des Albums. Ich finde den
eigentlich perfekt. Ich hätte den gerne als erste Single gesehen. Aber
dann haben wir uns doch dagegen entschlossen."
6 Essenbeck
"Es geht
darin um die Familie, um die Essenbecks-Krupps-Geschichte. Wir haben den
Track an den Film und an die Historie angelehnt."
7 Im falschen Land
"Den Text
hat Ralf geschrieben. Der fühlt sich wahrscheinlich immer noch im
falschen Land. Ich mittlerweile nicht mehr (Jürgen Engler lebt in Texas,
USA, Anm. d. Verf.). Ich fühle mich hier im richtigen Land. Aber mich
hat das auch Jahre lang beschäftigt. Das ist thematisch wie bei „To the
Hilt“. Der Track ist zum Beispiel sehr ähnlich gewesen. Musikalisch ist
das eine schöne Hymne. Wir haben auf dem Album so ein paar hymnische
Titel, „Ropo Sapien“ hat diesen Hymnencharakter, „Schatten der Ringe“.
Und das ist das, was ich auch immer mochte. Diese bombastischen
hymnischen Geschichten. Die haben wir zum Teil auch vorher gehabt, wie
bei „Fatherland“ zum Beispiel, oder „Alive“. Ich wollte einfach hiervon
auf dem neuen Album auch ein paar Titel haben. Weil das ist natürlich
auch ein Teil der Krupps."
8 Eiskalter Engel
"Das ist
wahrscheinlich so der Retro gerichtetste Titel, auf der anderen Seite
auch wieder
extrem modern. Das ist so ein Titel, wo ich meine alten
Analog-Synthies so richtig
abtuckern lass. Wie eine Hommage an die frühen HUMAN LEAGUE, so um die
„Being boiled“-Zeit, etwas was ich extrem gut fand, diese klassischen
MS-20 Synthi-Geschichten, dieser Sound. Und dieser Song generell, dass
ist quasi wieder so eine Lovestory im Sinne von „Zwei Herzen ein
Rhythmus“, der auf der „Vollen Kraft voraus“ war. „Industriemädchen“ ist
im Grund auch so eine Geschichte. Da kommen wir wahrscheinlich gleich
noch dazu, aber „Industriemädchen“ ist eigentlich eine Punk-Nummer
gewesen, von Ralfs alter Band „S.Y.P.H.“. Und das ist im Prinzip auch so
eine Love-Story. Aber natürlich eben auf Krupps-Art. Wobei es bei
„Eiskalter Engel“ nicht um eine Frau geht. Da geht es eigentlich um eine
Stadt. Jeder hat so seine Liebe für die Stadt, in der er wohnt. Ich
setze jetzt nicht voraus, dass diese Orte immer eiskalt sind, oft sind
diese Orte immer schön warm, immer sonnig und es ist ganz toll. Ist ne
andere Geschichte. Ich habe früher in New York eine Wohnung gehabt. Ich
war auch letztes Jahr wieder da. Das hat mich einfach irgendwie
inspiriert."
9 Part of the Machine
"Das ist ein Track, den ich schon seit einigen Jahren in der Schublade hatte, und zu
dem ich eigentlich nur noch einige Tweaks mit meinen geliebten Analog-Maschinen
addieren musste. Es gab davon auch eine Version mit Gitarre, allerdings hat sich das
bei der Nummer einfach nicht richtig eingefügt, sodass ich das wieder verworfen
habe. Auf diesem Album war Programm "was passt, das passt", da gab es keinen
Zwang sämtliche Songs ohne Gitarren oder mit Gitarren, alle deutsch oder
englischsprachig zu machen. Vielleicht fühlt es sich auch daher so stimmig an."
10 Nocebo
"Nocebo
ist ganz einfach quasi das Pendant zu Placebo. Placebo, Du weißt ja was
das ist. Es ist etwas was Dir verabreicht wird, aber eigentlich keine
Wirkung hat. Aber eine Wirkung verursacht, weil du daran glaubst."
11 Im Schatten der Ringe
"Damit sind die Krupps-Zeichen gemeint. Es geht darin um den Erben. Um den Erben
Arndt von Bohlen und Halbach.
Der das Erbe mehr oder weniger abgeschlagen hat. Der kein Bock darauf
hatte und die Millionen irgendwie abgelehnt hat. Und dies im Prinzip
nichts als eine Last für ihn war. Wir haben hier auf diesem Album
wirklich mal alle Register gezogen. Die Krupps-Historie wirklich komplett durchgenommen, das Erbe und die Essenbecks."
BONUS-CD:
1 Nazis auf Speed
"Thematisch
geht es einfach darum: Es gibt ja eine Doku im deutschen Fernsehen, die
auch basiert auf ein Buch, über quasi gedopte Nazis, Piloten, die im
Zweiten Weltkrieg Kamikaze geflogen sind. Gegen England zum Beispiel.
Wenn die Leute zum Beispiel sagen „RAMMSTEIN“-Anleihen... Wir haben das
ja alles viele früher gemacht. Wenn
Du zum Beispiel die zweite oder auch die erste LP hörst… Die Basis, das Riff ist
von Marcel. Der Song ist natürlich gewachsen. Wir haben das nie gemacht, dass wir
uns
an irgendwelchen Sachen angelehnt haben. Genauso wenig wie ich mich
jetzt davon beeinflussen lasse, dass ich jetzt hier in Amerika wohne."
2 Panik
"Interessante Geschichte. Weil Panik, da geht es ja um eine Punk-Band: METAL
URBAIN. Das ist von denen damals die erste Single gewesen auf Rough Trade. Das
war
auch die erste Band, die bei Rough Trade unter Vertrag war. Diese waren
für mich damals auch ein extremer Einfluss. Ich habe ja auch in einer
Punk-Band gespielt. Wollte aber irgendwie weiter. Wollte nicht nur im
Punk vier Riffe … Ich wollte auch etwas anderes machen. Und „Metal
Urbain“ war für mich dann eine der Bands, die diesen Weg dann schon
gedanklich gehen, die zum Einen keinen Drummer hatten sondern eine
Drum-Machine, zum anderen haben diese so Synthie-Noise in ihre Musik mit
eingestreut. Und das war im Prinzip die erste Electro-Punk Band. Ich
habe hier den Eric vor ein paar Jahren kennengelernt. Zumal Eric auch in
Austin war. Der kam alle paar Jahre hier rüber. Weil ihm Austin
gefallen hat. Und der ist jetzt vor 3 oder 4 Monaten
hier
hingezogen. Er ist auch Fotograf. Er hat auch dieses Front-Cover
gemacht. Für mich ist es ganz toll, dass wir jetzt hier zusammen auch
eine Nummer gemacht haben. Der Kreis schließt sich. Wie mit allem hier.
Auch wie gesagt mit dem Album Cover. Das ist eine ganz runde Sache. Für
mich war zum Beispiel LOU REED – Metal Machine Music einer der größten
Einflüsse. Eindeutig. Und das haben wir dann hinterher auch wörtlich
genommen und „Metal Machine Music“, den bekannten Krupps-Track gemacht.
Dieses Noise-Industrial hat mich damals als es 75 rauskam extrem
beeinflusst. Und das war auch mit der Begründer für die
„Stahlwerksinfonie“. Das war ganz, ganz wichtig, das Album. Und dann
auch diese Hommage vom Cover. Das ist eine Hommage an das Lou-Reed Cover.